Thema Datenklau: Maybrit Illner und Markus Lanz diskutieren

Datenklau: Telefonnummern, Bilder, Adressen und Chatverläufe von ca. 1.000 Menschen, darunter Politiker, TV-Moderatoren und Journalisten, fanden über die Weihnachtstage 2018 den Weg an die Öffentlichkeit. Gehackt von einem 20-jährigen, nicht also von professionellen und vielleicht politisch motivierten Netzwerken. „Wie kann es sein, dass ein 20-Jähriger aus dem Elternhaus das kann?“, fragt Markus Lanz also in der zweiten Januarwoche 2019 zu Recht. Die Antwort von Linus Neumann, Hacker im Chaos Computer Club, ist recht simpel: „Das ist das Internet (…), der Angreifer hat zudem keine übermäßigen Schwachstellen ausgenutzt (…) und einige Betroffene haben zähneknirschend zugegeben, dass ihre Passwörter nicht die Besten waren.“

 

Auch Maybrit Illner nahm den Datenskandal in ihrer ersten Sendung im neuen Jahr zum Anlass und besprach mit ihren Gästen das Thema "Datenklau und Meinungsmache – droht ein schmutziges Wahlkampf-Jahr?". Den Zuschauer erwarteten also zwei spannende Talkshow-Formate.

 

Nach dem heute-journal starteten die ZDF-Zuschauer in einen interessanten und mehrstündigen Talkshow-Abend, nachdem Lanz den Datenschutz-Skandal schon zum Thema der Woche ausgerufen hatte. Sowohl in den Sendungen maybrit illner als auch Markus Lanz, ging es um den Hackerangriff eines 20-jährigen Schülers. Opfer: Überwiegend Politiker, Moderatoren und Journalisten. Die geklauten Daten: Telefonnummern, Bilder, Adressen und Chatverläufe. Motivation? "Verärgerung über öffentliche Äußerungen". Besonders interessant deshalb, weil Unsicherheit im Internet, Datenklau und der bewusste kommerzielle Nutzen von Daten, ganz oft vom Konsumenten selbst freigegeben, eigentlich schon in den Alltag unser aller gefunden hat – auch wenn wir dies oft nicht bewusst wahrnehmen. 

Maybrit Illner

Wie sich Opfer eines Datenklaus fühlen, fasste Justizministerin Katarina Barley, selbst betroffen, in einem einfachen Satz zusammen: “Das ist ein Gefühl, wie wenn bei einem eingebrochen wird.“ Von ihr landeten allerdings größtenteils „nur“ veraltete Daten im Internet. Dennoch, irgendwie trifft die Digitalisierung die Gesellschaft teils an empfindlichen Stellen, mit all den Vorteilen, die sie trotzdem mitbringt. Denn neben individuellen und privaten Daten, können auch Demokratiegefährdende Auswirkungen auftreten. Zum Beispiel die bewusste Manipulation von Wahlkämpfen oder auch die schnelle Streuung von Fake-News. Zudem können Persönlichkeiten durch täuschend echte aber gefälschte Videosequenzen innerhalb kürzester Zeit bewusst zerstört und in den Ruin getrieben werden. Dies bestätigte auch Peter Hanse, Rechtsanwalt mit dem Fokus auf Datendiebstähle.

 

Dass wir oftmals nicht nur schlampig mit Passwörtern umgehen, sondern auch mit unseren eigenen Daten, zeigte uns an diesem Abend der Wissenschaftserklärer Ranga Yogeshwa auf. So verkaufen zum Beispiel simple Wetter-Apps unsere Bewegungsmuster an eine Vielzahl von Firmen weiter. Wir werden also gläserner und lassen dies zum großen Teil selbst zu – und unser stets wachsendes Datenprofil kann am Ende viel heikler sein, als die „einfache“ Privatadresse oder Handynummer. Dass dies mancherorts durchaus gewollt ist, zeigt das Beispiel China. Digitale Überwachung wird dort maximal gefördert und gewünscht – ein „Social Credit System“ soll für 22 Millionen Einwohner Pekings bis Ende 2020 verpflichtend den Betrieb aufnehmen.

 

Dass der aktuelle Datenklau eines 20-jährigen noch nicht allzu hoch zu bewerten sei, unterstrich Yogeshwa mit der Aussage, dass dieser Hack „erst ein Vorgeschmack“ dessen sein könnte, was noch kommen kann. Auch Miriam Meckel, Kommunikationswissenschaftlerin und Herausgeberin der Wirtschaftswoche, teilte diese Meinung. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass es viel schlimmer kommen kann." 

Ein Federführendes Beispiel gab es auch: So schwappte ein Video über, dass die ersten Worte eines Kindes nicht „Mama“ oder „Papa“ waren, sondern „Alexa“. Ob real oder nur ein Internetgag – die Echtheit und Authentizität des Videos ist wahrlich nicht zweifelsfrei zu bestätigen. 

Am Ende des Talks blieben einige Erkenntnisse übrig: Digitale Sicherheit? Die kann niemand garantieren - weder der Staat, noch sonst jemand. Am Ende muss jeder bewusster mit seinen Daten und Passwörtern umgehen. "Privatsphäre dürfen wir nicht leichtfertig für ein bisschen Technik opfern", lautete der Apell von Yogeshwa. Stephan Mayer, CSU Politiker, konnte zumindest die schnelle Fassung des Täters positiv hervorheben und kündigte weitere Investitionen des Staates in das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sowie eine Verbesserung des IT-Sicherheitsgesetzes an. Bundesinnenminister Horst Seehofer möchte ein IT-Sicherheitsgesetz 2.0 vorlegen. Auch das „Cyberabwehrzentrum Plus“, soll künftig rund um die Uhr agieren. Meckel zeichnete am Ende nochmal ein durchaus düsteres aber vielleicht realistisches Bild: Die Privatsphäre   könnte irgendwann nicht mehr gegeben sein – auch, weil Unternehmen wie Facebook die selbst preisgegebenen persönlichen Daten mit größter Freude aufnehmen und verarbeiten. Und Maybrit Illner? Sie lenkte und führte gekonnt hartnäckig sowie mit Charme und Witz durch den Talk.

Markus Lanz

Im Anschluss, in einer gewohnt lockereren Runde, schloss sich der wie immer bestens vorbereitete Markus Lanz der Vorsendung an. Im Thema war er bereits, schließlich zieht sich dieses wie ein roter Faden schon durch die vorigen Wochentage. Sein Politikopfer des Tages, natürlich mit einem Zwinkern gesehen: Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Von Lanz Eingangs freundlich als der „einsame Held zwischen Funkloch und Schlagloch“ benannt, wurde er schnell zur „politischen Leiche“. Natürlich nur für den Moderationsbogen, um von dem Bestatter Eric Werde zu dem locker wirkenden Andi Scheuer zu kommen.

 

Bereits am Vortag besprach Markus Lanz mit Linus Neumann vom Chaos Computer Club, Wolfgang Kubicki und Claudia Kade den Hack auf prominente Persönlichkeiten von einem 20-jährigen. Unter anderem auf dem Plan: Sichere Passwörter, Die Sprache und ihre Wirkung sowie Politiker Robert Habeck. 

 

Zusammen mit Martin Fuchs und Andreas Scheuer geht Lanz auch nochmal am Donnerstagabend, direkt nach Maybrit Illner, auf das Thema der vorigen Sendung ein: Robert Habeck und dessen Rückzug aus den sozialen Netzwerken – begründet durch den Hack privater Daten eines 20-jährigen. Doch wie viel Druck lastet auf einem Politiker, nicht nur wenn private Daten an die Öffentlichkeit geraten? Und wie steht es mit der Sucht nach Aufmerksamkeit?

 

Martin Fuchs, Politikberater und Social Media Experte, traf wohl die mildeste und differenzierteste Aussage über den grünen Parteivorsitzenden Habeck. „Er hätte (vor dem Rückzug) zwei Nächte drüber schlafen sollen“, anstatt einer. Auch ein „digital detox“ hätte er besser gefunden, als den abrupten Rückzug aus der digitalen Welt. Denn: Was digital passiert, passiert auch analog. Direktes Feedback? Ohne soziale Netzwerke zumindest schwieriger zu finden als mit. Andreas Scheuer las aus der Social-Media-Flucht sogar eine Überforderung Habecks heraus. So haben einige Tweets in der Vergangenheit durchaus für Kritik gesorgt, etwa folgender zur Bayernwahl: „Wir sorgen dafür, dass in Bayern wieder demokratische Verhältnisse einziehen.“ Ein ähnlicher Fehltritt gelang Habeck auch zur späteren Thüringenwahl.  Für Scheuer war der Ausstieg aufgrund des Hacks also nur vorgeschoben: „Jetzt ist er so in die Defensive gekommen, dass er eine andere Story genommen hat, um auszusteigen.“

 

Das Stichwort „detox“, hineingeworfen von Martin Fuchs, nahm Lanz dann dankend auf, um auf ein zusammenhängendes Thema zu Leiten. Die Suche nach Aufmerksamkeit von Politikern. Wieder hielt Habeck als Beispiel hin. Dieser habe nach Talkshows „gierig“ danach gesucht, was über ihn geschrieben und wie er wahrgenommen wurde, so er selbst. Durchaus eine tolle und selbstreflektierende Aussage. „Einige sind süchtig nach Aufmerksamkeit“, bestätigte Fuchs. Auch Elisabeth Niejahr, von der Wirtschaftswoche, findet eine gewisse Inszenierung „vollkommen legitim“. Die Menschen können sich schließlich aussuchen, was ihnen gefällt und was nicht. Außerdem muss ein Politiker auch einen gewissen Typus mitbringen, um öffentlichkeitswirksam agieren zu können. Ein gewisser Typus? Der saß bestens aufgelegt bereits in der Runde, Andreas Scheuer. Stolz berichtete dieser von seinem Nachrichtenzimmer, seinen Social-Media-Aktivitäten sowie seinen Bemühungen seine Politik so nah wie möglich an den Bürger zu bringen. Auch dieser wird von Markus Lanz gefragt, wie man mit dem Druck und den Kommentaren sowie Anfeindungen von außen umgeht – auch Scheuers Handynummer landete im Internet. Seine gelassene Antwort: „Natürlich musst du dir ein dickes Fell zulegen.“ Letztendlich richtete Niejahr noch ein paar mahnende Worte an den Minister, auch mit Blick auf die Dieselaffäre:“Die Leute haben im Moment andere Erwartungen an Sie.“ Öffentlichkeitsarbeit ist also nicht alles. Das Scheuers aktueller Job nicht der leichteste ist, wurde von der Runde einstimmig abgeknickt. Streiks, langsames bis fehlendes Internet, der Dieselskandal und eine schwächelnde Bahn. Er ist der Minister für die unschönen Jobs. Am Ende traf es Lanz wohl mit dem passendsten Worten: „Ist das noch Politik oder schon Masochismus?“