
Zugegeben, die Corona-Pandemie ist ein gänzlich trauriger Anlass, um über positive Nutzwerte zu sprechen und dennoch: Vielleicht tröstet viele von uns ein kurzer Schimmer der Hoffnung, auf das, was danach kommt. In meiner Welt ist es die Digitalisierung, in jemands anderer vielleicht – und auch das befürworte ich sehr – die Natur, die einen Atemzug der Erholung erfährt. Jedenfalls: Zumindest in Sachen Transformation, so scheint es, katapultieren wir uns gerade per Schleudersitz in die Zukunft.
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Die digitale Transformation. Ein großes Wort, verbunden mit einem großen Ziel. Große Ziele, da sind sich Motivationsredner einig, erreicht man in kleinen Schritten, Zwischenstepps oder Etappen. Viele Unternehmen, Behörden oder Schulen jedoch haben es – so scheint es mir – sehr ernst genommen, mit dem Ausdruck „klein“. Sie haben in der Vergangenheit lediglich den einen Fuß vorsichtig vor den anderen gesetzt – ist das schon ein ganzer, wenigstens kleiner, Schritt? In meiner Definition nicht, korrigieren Sie mich! Nun, so würde man es wahrscheinlich in der Psychologie beschreiben, zwingt ein globaler Notstand jene, die sich bisher nur wenig mit der Digitalisierung beschäftigt haben, zur Konfrontationstherapie. Sie müssen sich unmittelbar mit einem Problem auseinandersetzen und schnellstmöglich Lösungen finden. Und plötzlich stellen viele fest: Die Transformation ist nicht nur in kleinen Stepps sondern auch per Schleudersitz möglich.
Viele Veranstaltungen, Kongresse sowie Paneldiskussionen wurden ins Leben gerufen, um digitaler zu werden. Oftmals eine Initiative des Human Ressource Managements, welches feststellte, dass den jungen Generationen etwas geboten werden muss – denn den War of Talents gewinnen nur diejenigen, die auch attraktiv genug sind. Purpose aber auch eine angemessene, dem jungen Menschenbild entsprechende, technische Arbeits- und Kommunikationsweise gehören zu den am häufigsten diskutierten Stichpunkten. Viele Unternehmen haben dies ernst genommen, haben Möglichkeiten zum mobilen Arbeiten oder Homeoffice geschaffen, digitale Kollaborationstools eingeführt sowie sich um digitale Kanäle wie auch Vertriebswege gekümmert. Nicht zuletzt haben sich die Vorreiter sogar um angemessene Strategien zu Kommunikationsstrukturen sowie die notwendigen Führungsfragen (Motivationstheorien, Generationenmanagement, Agilität, Fortbildungsprogramme etc.) gekümmert. Hier zeigt sich: All die Themen sind in einer Krise, wie wir sie momentan mit dem Corona-Virus erleben, überlebensnotwendig – einige wenige können diesen digitalen Vorsprung nun nutzen.
Alle anderen bauen gerade im Eiltempo neue Strukturen auf und lassen vor allem eine Gruppe alt aussehen: Die Bedenkenträger. Was vor einigen Wochen in deren Augen noch als „undenkbar“ schien und als nettes Gadget abgestempelt wurde – Hauptsache ein Auto fährt, die ganze Technik ist doch nur Spielerei (Ja, außerhalb dieser Metapher ist Fahrradfahren in jedem Fall die bessere Alternative) – ist nun im Eilverfahren plötzlich möglich. Dabei ist die Veränderung im Denkprozess gar nicht so schwer zu erklären, haben sich doch lediglich die vorgeschobenen Antworten (Geht nicht, zu langwierig, kann doch gar nicht funktionieren) in positive Fragestellungen gewandelt – und die Antworten sind denkbar einfach:
- Über welche Kollaborationstools können unsere Mitarbeiter am besten arbeiten? Antwort: Ouh, diese bestehen ja bereits und sind bestens entwickelt!
- Wie erhalten unsere Mitarbeiter schnellstmöglich Zugang zu diesen Tools und wie schulen wir diese? Antwort: Lasst sie lediglich downloaden und selbsterklärend sind sie auch – zur Not hilft eines der hundertfach existierenden Video-Tutorials!
- Muss man für wichtige Dokumente noch erscheinen? Antwort: Nein, eine E-Mail (Scannen ist sogar per Smartphone möglich) genügt, es gibt sogar verifizierte Signaturoptionen!
Die Erkenntnisse: Es kann plötzlich doch ganz schnell gehen. Mitarbeiter stellen sich – vielleicht auch, weil es jetzt gerade kein drumherum mehr gibt – schnell auf Veränderungen ein, das mit der Produktivität funktioniert auch und viele Dienstreisen waren eigentlich schon lange überflüssig.

Besonders ist dieses Phänomen im gerade so wichtigen Journalismus zu sehen, vielerorts als – und das beruhigt sehr – systemrelevant eingestuft. Monitor schaltet im StudiuM beispielhaft gute Interviewschalten (Monitor, 2020 via turi2), u.a. mit Tilo Jung, der berichtet, dass Fragen auf der Bundespressekonferenz jetzt auch per Chat gestellt werden können. Der Journalist Daniel Bouhs erklärt bei turi2tv, dass technische Innovationen sowie Möglichkeiten nach wenigen Tagen (bspw. Skype-Schalten) schnell alltäglich werden und Miriam Meckel stellt fest, ebenfalls bei turi2tv, dass wir „ungewollt, durch diese Disruptionen in diese Digitalisierung reingeschleudert werden.“ Durchaus positiv und das ist in meinen Augen eine wichtige Komponente, merkt sie an: „Man merkt im Moment, wie gut, empathisch und kollaborativ Teams in Videokonferenzen funktionieren.“

Spannend zu beobachten sind auch die Veränderungen im Bildungswesen. Dieses gilt seit jeher als träge und wenig digitalisiert. Lehrer schoben dieses Problem oftmals auf die fehlende Infrastruktur. Kein WLAN, veraltete Geräte und Mangel an praktikablen Plattformen. Auf einmal und das ist erstaunlich – man beachte die Parallele zur Arbeitswelt – sind all diese Argumente jedoch ausgehebelt. Jeder Lehrer hat einen funktionierenden Internetanschluss sowie einen PC, Laptop oder Tablet – gleiches gilt für Schüler, die in den allermeisten Fällen spätestens im Familienhaushalt Zugriff auf ein Gemeinschaftsgerät haben. Die Lernplattformen (Moodle, Sofatutor, The SimpleClub) existieren ebenfalls. Lag es vielleicht doch am Lehrerkollegium, welches teils über Jahrzehnte lieber ihre ebenfalls so alten Tafeleinträge praktiziert und per Tageslichtprojektor visualisiert haben oder den Kassettenrecorder im fahrbaren Röhrenfernseher nur mit Problemen bedienen konnten? Selbst die vermeintlich fähigsten unter ihnen, IT-Lehrer, waren nicht selten überfordert, wenn man lediglich fakeupdate.net im Vollbildmodus eingeschaltet hat. Klar, hier gilt es nicht alle Lehrer über einen Kamm zu scheren, viele sind innovativ und geben sich viel Mühe, aber hier handelt es sich, so zumindest mein Gefühl, immer noch deutlich um die Minderheit.
Jedoch und das gibt Hoffnung: Skype, Zoom, Slack, Microsoft Teams sowie digitale Workplaces scheinen sich nun schnell zu etablieren – sowohl im Bildungswesen als auch in der Arbeitswelt. Vielleicht wird man nun auch nicht mehr schief angeschaut, wenn man seine Notizen per Pencil oder S-Pen auf seinem iPad oder Samsung-Tab schreibt, in Windeseile korrigiert oder optisch veranschaulicht (sogar in Word-Dokumentenform lässt sich die Handschrift bringen). Berge von Papier fallen weg und Notizen werden fix per – aufgepasst – Suchfunktion gefunden.
Wenn man also etwas positives in der Corona-Krise erkennen möchte, dann, dass wir in einigen Bereichen – hierzu zählt auch die Telemedizin – große Fortschritte machen. Und das sei am Ende noch gesagt: Auch die Natur hat einen Nutzen, denn der Mensch hat Pause – zumindest analog – und der Planet Zeit zum Aufatmen.