
(Medientage, 2020) „Ich saß drei Monate mit einem Laptop im Bunker“, sagte Dan McCrum. Der Journalist der Wirtschaftszeitung Financial Times enthüllte den „Betrugsfall Wirecard“ des inzwischen
insolventen Zahlungsdienstleistungsunternehmens Wirecard AG mit Sitz in Aschheim bei München. McCrum, dessen Wirecard-Recherchen für eine Artikel-Serie der Financial Times bereits 2015 begonnen
hatten, äußerte sich in einem Gespräch mit dem Journalisten Richard Gutjahr im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN zu seiner Vorgehensweise, um von Wirecard „erfundenen Gewinne“ und „geschönten
Bilanzen“ zu enthüllen.
Am Anfangseiner Recherchen über die Wirecard AG im Jahre 2015 hätte er nicht gedacht, dass er den „größten Betrugsskandal der Nachkriegsgeschichte“ aufdecken würde, sagte McCrum zu Beginn des
Gesprächs. Was ihn im Nachhinein am meisten überrasche, sei, wie lange die Wirecard- Verantwortlichen für die öffentlich erhobenen Vorwürfe wie zum Beispiel falsche finanzielle Angaben nicht zur
Rechenschaft gezogen wurden. „Wirecard hatte mächtige Player an seiner Seite“, sagte McCrum. Die Rolle der Bundesregierung sei ihm noch nicht klar geworden, und er sei auf die Ergebnisse des
Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestaggespannt, führte der Enthüllungs-journalist weiter aus.
„Solange fragen, bis Antworten Sinn ergeben“
Die ersten Informationen zu „fragwürdigen Vorgängen“ bei dem Unternehmen habe er von einem „Leerverkäufer“ an der Börse erhalten, schaute McCrum zurück. Wenn er Fragen an die zu den Vorgängen
Verantwortlichen von Wirecard gestellt habe, habe die Antwortgelautet, „dass das alles sehr komplex sei und er das nicht verstehen könne“. Die Manager von Wirecard hätten den Zweifel an ihren
Machenschaften als einen Vorteil ausgespielt, erklärte der Enthüllungsjournalist. „Ich erhielt ständig Antworten auf meine Fragen, die keinen Sinn ergaben“, sagte McCrum. Daher habe er solange
gefragt, bis er Antworten erhalten habe, die Sinn ergeben hätten.
Auf die Frage von Gutjahr, welchen Gefahren er im Rahmen seiner Enthüllungsrecherchen ausgesetzt gewesen sei, erwiderte McCrum, er sei „Ziel von Hackerangriffen“ geworden. „Von da an arbeitete
ich drei Monate in einem Bunker mit einem Laptop ohne Internetverbindung, um Informationssicherheit zu haben“, erläuterte McCrum.Als „dunkelsten Stunde“ im Rahmen seiner Aufdeckung
des Wirecard-Skandals nannte McCrum die Strafanzeige, welche die deutsche Finanzaufsicht BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) 2019 gegen ihn erstattet hatte. „Eine
deutsche Strafanzeige, die zusammenbrach“, stellte McCrum fest.