„Pitch“ der Plattformen – Botschaften für Marketeers

(Medientage, 2020) Auf die Haltung kommt es an: Als Schlüsselbegriffe fielen im „Social Media Update“ der MEDIENTAGE MÜNCHEN Werte wie Authentizität und Vertrauen. Reine Strategie sei in diesem Bereich nicht länger erfolgsversprechend – darin waren sich die Teilnehmenden einig. Nachhaltig seien nicht Reichweite und der Versuch, „klassische“ Marketingstrategien auf Social Media zu übersetzen, sondern ein genaues Verständnis der Influencer-Persönlichkeiten und ihrer Community.

„Ich mache hier nicht den Wendler“, versprach Sven Wedig zu Beginn seiner Keynote und lieferte gleich die Erklärung: Er werde das Vertrauen, das seine „Plattform“, die MEDIENTAGE MÜNCHEN, in seine Verpflichtung gesetzt habe, nicht enttäuschen. Der Gründer und Geschäftsführer der Agentur Vollpension Medien hat sich auf Influencer Marketing und die Vermittlung von Influencern spezialisiert. Wann immer man im „Marketing mit Menschen“ aktiv sei, seien „Ausfälle“ wie die des zum Corona-Leugner gewordenen Schlagersängers Michael Wendler möglich, der im Zuge seiner umstrittenen Äußerungen beträchtliche Werbedeals verlor. Nach Ansicht von Wedig liegt die Verantwortung bei den Plattformen: „Es handelt sich um ein C-Level-Thema, es ist Chefsache.“

Eine Reihe von „C“-Begriffen bestimmte auch den Fortgang seiner Argumentation. Zentral sei die Struktur der Community, in und mit der „Kommunikation auf Augenhöhe“ stattfinden müsse: „Social Media ist keine Einbahnstraße“, erklärte Wedig mehrmals. In puncto Content komme es auf „Co-Creation“ mit den Influencern an, was die „Communication“ personalisiere und „Crossmedia“ ermögliche. Am Ende stehe die „Courage“: Mut zur genauen Platzierung auf der passendsten Plattform. „Wir sind an einem Punkt, wo wir bei Social Media keine Streuverluste mehr hinnehmen müssen“, sagte Wedig in der mit Moderatorin Svenja Teichmann, die als Geschäftsführerin die Agentur Crowdmedia leitet: „Kaufentscheidungen verlagern sich von SEO-gestützten Systemen zum ‚Social Search‘.“

Welche zentrale Rolle die Persönlichkeit der selbst zu „Marken“ gewordenen Influencer und ihrer „Ökosysteme“ spielt, zeigten anschließend prominente Branchen-Vertreter: Live zugeschaltet wurden die Influencer Falco Punch, TikTok Creator mit mehr als 10 Millionen Followern Reichweite, seine „Kollegin“ Melike, deren Einrichtungs-Kanal „Easy Interieur“ über 500.000 Interessierte folgen, Sebastian Romanus, der das Multiplattform-Netzwerk vonProSiebenSat.1 leitet, sowie Divimove-Geschäftsführer Tobias Schiwek, dessen Firma ein Hybrid aus Studio und Talent Agency ist. Sie alle gaben Einblicke in die Welt des Influencer Marketings.

Ganz gleich ob ästhetisch einzigartige Hochformat-Videos produziert werden oder Beiträge darüber, wie in der Elternzeit die Wohnung neu dekoriert wird: Alle Beispiele der Influencer verdeutlichten, dass ihr Erfolgsrezept schlicht „Authentizität“ lautet.

„Ich sehe mich als kreativen Typen und will auch von Kooperationspartnern so verstanden werden“, erklärte Falco Punch seine Bedingung für Zusammenarbeit. Sein Vorbild seien „ältere YouTuber“, die immer noch „krassen Sch...“ produzierten: „Das inspiriert mich.“ Sein Ziel sei, Menschen mit „Wow“-Elementen ihrem Alltag entfliehen zu lassen. Als geradezu „selbstermächtigend“ empfindet Influencerin Melike ihren Einrichtungskanal: „Ich spreche vor allem Frauen an, die sich neu entdecken wollen und auch mal allein einen ganzen Schrank aufbauen.“ An Werbetreibende gewandt, forderte sie Eigenständigkeit: „Bitte keine vorgedruckten Texte!“

„Erfolgreiche Influencer stehen als Persönlichkeitsmarke für Inhalte, die die Leute sehen wollen“, sprach Tobias Schiwek von einer „Professionalisierung“ und „Personalisierung“ von Themen. Das sei „in den meisten Mediaplänen angekommen“. Essenziell seien jedoch die „like-mindedpeople“, die eine Community bilden. Die digitale Welt werde seiner Einschätzung nach nicht (nur) komplexer, sondern auch einfacher, da sich Nischen schneller mit Gleichgesinnten beleben lassenwürden.

Mehr Mut bei Kooperation forderte in Anlehnung an Sven Wedigs „C“-Begriff „Courage“ auch Sebastian Romanus. Im Hinblick auf die Wahl der Plattformen solle die Entscheidung nicht länger zwischen „YouTube oder TikTok“ fallen. Vielmehr komme es auf die Frage an: „Wen will ich haben, und was ist die Motivation dahinter?“

Vertrauen, „Brand Safety“–also Markensicherheit in markenkonformen Umfeldern – und Optimismus standen im Zentrum der anschließenden Keynotes von Repräsentanten zweier etablierter Plattformen: So berichtete Shankho Mukherjee von LinkedIn von einem „Allzeithoch“, das seine Plattform derzeit erfahre. Im Aufwind befänden sich – durchaus Pandemie-bedingt – vor allem Jobangebote mit Home-Office-Option, E-Learning-Angebote sowie Programme zu Kommunikation und Achtsamkeit. „Combine brand and performance“, und zwar in einem Sicherheit vermittelnden Markenumfeld, lautete Mukherjees Abschlussthese.

Optimismus als Kerngeschäft bei Pinterest: So ließ sich Martin Bardelebens Präsentation verstehen. In Zeiten des „doom scrollings“, des digitalen Verstrickens in negative Nachrichten, zahle es sich aus, mit seiner Marke auf eine „optimistische Zukunft“ zu setzen. „Menschen wollen sich positiv fühlen“, erklärte Bardeleben, der bei Pinterest den Bereich für Partnerschaften und Konsumenten-produkte leitet. Pinterest habe eine sechzigprozentige Steigerung bei positiven Suchanfragen verzeichnet. „Pinner sind Planer“, die Dinge umsetzen wollten, beschrieb er die Pinterest-Zielgruppe. „Auf dieser Suche betrachten die Menschen die Unternehmenshaltung kritischer“, argumentierte der Manager: „Sie verzeihen es nicht mehr, wenn Profit mehr zählt als Menschlichkeit.“ So liege es „in der Verantwortung einer Marke, an sicheren und positiven Orten aufzutreten“.  Bardelebens Schlusseinschätzung: „Das Umfeld entscheidet.“