
(Medientage, 2020) Welche Vorteile und Potenziale bieten Podcasts als digitales Medium für journalistische und fiktionale Inhalte? Was muss bei der Produktion und der Vermarktung beachtet werden?
Beim Podcast-Special der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) stellten Experten im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN innovative Audio-Podcast-Formate vor.
Sam Dolnick, stellvertretender Assistant Managing Editor der New York Times, bestätigte im Interview den tiefgreifenden Wandel, den die New York Times Company durchlaufe, und die hohe Reichweite,
die das Unternehmen gerade mit Podcasts erziele. Damit würden auch Menschen erreicht, die die Zeitung nicht lesen würden. „Bei der Transformation von einer Nachrichtenzeitung zum digitalen
Informationsmedium war der intellektuelle und kulturelle Wandel eine große Herausforderung für unsere Mitarbeiter“, erklärte Dolnick. Die Redaktion habe damit aufhören müssen, „wie ein aktuelles,
gedrucktes Nachrichtenblatt zu denken“. Mit der Zeit hätten die New-York-Times-Journalisten „die große Kraft“ des Mediums Podcast für die Verbreitung journalistischer Inhalte erkannt. „Statt
Leserhaben wir Zuhörer, zu denen die Verbindung direkter ist und denen zusätzliche Informationen vermittelt werden können“, führte Dolnick weiter aus. Mit Hilfe des „Audio-Journalismus“ könne den
Zuhörern erklärt werden, wie ein Journalist zu seiner Geschichtegekommen sei, warum er dieses Thema ausgewählt habe“. Ein Podcast sei ein „Lean-Forward-Medium“, das die Zuhörer stark in die
„Story“ involviere, mit dem man viel mehr Spannung erzeugen und viel mehr experimentieren könne als mit der gedruckten Tageszeitung oder im kommerziellen Radio, betonte Dolnick. Vor allem das
Vorzeigeprojekt „The Daily“ sei deshalb so erfolgreich, weil das Podcast-Team als eigene, vom „übrigen Redaktionsbetrieb losgelöste Unit“ arbeiten könne und Qualitätsjournalismus mit
leidenschaftlicher Nachrichtenvermittlung sowie der Bereitschaft, täglich dazuzulernen, verbinde.
Die Autorin und Journalistin Ronja von Wurmb-Seibel betonte ebenfalls, dass man durch das „Erzählen über die Audiospur“ Menschen intensiver in eine Geschichte hineinziehen könne als mit einem
Printartikel. Sie sprach über ihren Podcast „Gegen die Angst“, in dem sie einen Selbstmordanschlag und seine Folgenwährend einer Theateraufführung in Kabul aus Sicht der Schauspieler
aufgearbeitet hat. Sie habe vor Ort zahlreiche Interviews geführt, um zu erfahren, wie es den Akteuren gelang, die Angst zu überwinden, um „nach wenigen Monaten wieder auf der Bühne zu stehen“,
erklärte Wurmb-Seibel. „Durch das Format Podcast erscheint die Geschichte hinter der Meldung. Die Distanz zum Inhalt der Meldung wird geringer“, hob Wurmb-Seibel als journalistischen Aspekt
hervor. „Wir erfahren sonst nicht, was mit den Menschen nach einem Anschlag passiert, dass sich das Leben Hunderter von Menschen total verändert hat“, führte sie weiter aus. Mit einem
Audio-Podcast sei leichter als mit Bewegtbildformaten, „auf verschiedenen Ebenen zu erzählen und diese miteinander zu verzahnen“. Der Zuhörer „müsse sich viel vorstellen“, wodurch eigene Bilder
im Kopf entstünden, die stärker seien „als Bilder von außen“, sagte Wurmb-Seibel abschließend.
Wie Podcasts mit fiktionalen Inhalten produziert und vermarktet werden, erklärten Daniel Nikolaou, Leiter der Podcast-Produktion beim Audio-Streaming-Dienst Spotify, und Nilz Bokelberg,
Inhaltespezialist beim Podcast-Produzenten Pool Artists, am Beispielder deutschen Produktion des Podcasts Susi. „Die Idee war, den US-amerikanischen Podcast Sandra ihres Geschäftspartners Gimlet
Media zu adaptieren und für den deutschen Markt relevant zu machen“, erklärte Nikolaou. Der „Stoff“ sei für eine Adaption geeignet gewesen, durfte „aber nicht nur übersetzt, sondern musste in die
deutsche Kultur eingebettet werden“, verdeutlichte Nikolaou die Vorgehensweise. Die Herausforderung sei gewesen, „den Geist der Dramakomödie an deutsche Verhältnisse anzupassen“, erläuterte
Bokelberg, der das Drehbuch schrieb und Regie führte. Da er bei der Fiktion „die ganze Geschichte immer von Anfang bis Ende vor sich habe“, könne er „anders erzählen, die Erzählung anders
gewichten“, sagte Bokelberg. Dafür müsse er als Sprecher Schauspieler (u.a. Martin Hill und Bastian Pastewka) einsetzen, die genau wüssten, welche Wirkung ihre Stimme habe. Auf die Frage, ob sich
die aufwendige und teure Produktion von fiktionalen Inhalten lohne, antwortete Nikolaou, er wolle mehr Formate „abseits vom Talk“ ausprobieren, um neue Zielgruppen zu erschließen. Fiktionale
Erzählungen mit abgeschlossenem Content hätten eine „lange Halbwertszeit“ und seien ein „Gateway, um leichter den Zugang zum Podcast zu finden“. Er glaube an das Medium Podcast, „ein junges
Medium mit viel Raum“, der noch lange nicht besetzt sei, schloss Nikolaou seine Ausführungen.